Schnupperlehre und Rekrutierung
20.11.2024
Bei der Berufswahl spielen Schnupperlehren eine wichtige Rolle, damit die Jugendlichen den richtigen Beruf und den richten Lehrbetrieb finden. Dieser spielt dabei eine wichtige Rolle. Auch wenn aufgrund der sinkenden Zahl an Schulabgänger/innen nicht mehr alle Stellen besetzt werden können, muss die Rekrutierung von Lernenden seriös angegangen werden.
Wir haben mit Petra Wyss, Abteilungsleiterin Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung (BSLB) beim Amt für Berufsbildung (AFB), über die Rolle der Lehrbetriebe in der Berufswahl sowie auf was bei der Rekrutierung von Lernenden zu beachten ist, gesprochen.
Welche konkrete Rolle spielt die Schnupperlehre im Berufswahlprozess?
Um die Passung zwischen den eigenen Stärken und Erwartungen und dem Arbeitsalltag zu prüfen, empfiehlt es sich, sich mit den Wunschberufen aus der Nähe vertraut zu machen. Im Fokus steht ein erstes, aktives Kennenlernen der Berufspraxis. Heutzutage ist es einfach, Informationen zu den verschiedenen Berufen zu finden. Wie sich diese aber effektiv ausgestalten, lässt sich am besten in der Schnupperlehre erfahren.
Welche Erwartungen haben die Schüler/innen an eine Schnupperlehre?
Die Jugendlichen erwarten auf der einen Seite, dass sie gut betreut und informiert werden und auf der anderen Seite, dass sie selbst aktiv etwas tun und ausprobieren können. Der Beruf sollte bei einer Schnupperlehre erlebbar sein. Dabei ist auch darauf zu achten, dass die Jugendlichen Einblicke in die verschiedenen Seiten eines Berufs erhalten.
Was ist der Unterschied zwischen einer Orientierungs- und einer Bewerbungsschnupperlehre?
Orientierungsschnupperlehren dienen der Berufserkundung, also dem aktiven Kennenlernen verschiedener Berufe. Im Gegensatz dazu dienen die Bewerbungsschnupperlehren den Lehrbetrieben der Selektion von künftigen Lernenden. Entsprechend steht dort das gegenseitige Kennenlernen von Lehrbetrieb und Ausbildner/in auf der einen Seite und den künftigen Lernenden auf der anderen Seite im Vordergrund.
Was ist bei der Gestaltung einer Schnupperlehre zu beachten?
Die Schnupperlehre sollte sowohl von der Schülerin oder dem Schüler als auch vom entsprechenden Betrieb gut vorbereitet werden. Das Schnupperlehrtagebuch, welches unter www.afb.gr.ch zu finden ist, ist eine wichtige Unterstützung und enthält eine Checkliste zur Vorbereitung für die Jugendlichen. Der Schnupperlehrbetrieb darf durchaus danach fragen, ob ein Schnupperlehrtagebuch geführt wird und darauf hinweisen.
Gibt es zeitliche Vorgaben für die Dauer einer Schnupperlehre?
Nein, Vorgaben gibt es keine. Eine Orientierungsschnupperlehre dauert in der Regel zwischen einem und fünf Tagen. Eine Rekrutierungsschnupperlehre dauert meist länger.
Wie kann ich die Leistung der Schnupperlernenden bewerten?
Dafür stellt das Amt für Berufsbildung den Schnupperpass zur Verfügung (unter www.afb.gr.ch). Darin können die Jugendlichen eingeschätzt und bewertet werden. Wichtig ist das persönliche Gespräch am Ende der Schnupperlehre.
Wie wichtig ist der Eindruck aus der Schnupperlehre im Vergleich zu anderen Faktoren, wie den Schulnoten oder dem Vorstellungsgespräch?
Eine Vorselektion erfolgt oft aufgrund der Zeugnisnoten sowie des Lern-, Arbeits- und Sozialverhaltens in den Zeugnissen. Der Eindruck, den die Jugendlichen während der Schnupperlehre sowie dem Vorstellungsgespräch vermitteln, ist sehr wichtig. Gerade bei den Bewerbungsschnupperlehren ist es wichtig zu prüfen, ob der/die Lernende zum Lehrbetrieb passt.
Welche Kriterien sind bei der Auswahl von Lernenden zu beachten?
Dies hängt von den Anforderungen des Berufes ab. Der Lehrbetrieb sollte ein Anforderungsprofil erstellen und daraus die gewünschten Kriterien ableiten, so wie dies auch bei Anstellungen von «normalen» Mitarbeitenden der Fall ist.
Neben den Schulnoten gibt es verschiedene Eignungstests und Prüfungen für die Rekrutierung von Lernenden. Wie aussagekräftig sind solche Tests und was sollte ich dabei beachten?
Die Eignungstests sind standardisierte, computergestützte Eignungsanalysen, die ein Fähigkeitsprofil erstellen. Aus Sicht der Berufsberatung sind Eignungstests wertvolle Indikatoren, aber nur ein Teil des Auswahlprozesses. Ein wichtiger Teil der Rekrutierung ist und bleibt die Bewerbungs-Schnupperlehre.
Was ist bei einer Lehrstellenausschreibung zu beachten?
Lehrbetriebe können die offenen Lehrstellen über das Berufsbildungsportal melden. Die gemeldeten Lehrstellen werden anschliessend kostenlos auf der gesamt-schweizerischen Plattform «berufsberatung.ch» publiziert. Offene Lehrstellen können ein Jahr vor dem geplanten Lehrbeginn aufgeschaltet werden.
Der Wettbewerb um Lernende nimmt zu, da es aktuell mehr Lehrstellen als Lernende gibt. Wie kann ich als Lehrbetrieb am besten um Lernende werben?
Die beste Werbung ist die Mund-zu-Mund-Propaganda. Betriebe, die eine gute Ausbildung anbieten und sich durch Qualitätskontrollen ständig weiterentwickeln, haben in der Regel bei der Rekrutierung von Lernenden die Nase vorn.
Welche Trends oder Veränderungen beobachten Sie in den letzten Jahren bei der Rekrutierung von Lernenden?
Es lohnt sich für die künftigen Lernenden, Zeit in eine sorgfältige Bewerbung zu investieren. Das Bewerbungsdossier muss überzeugend sein. Oft verlangen Lehrbetriebe eine Online-Bewerbung oder Bewerbungen per E-Mail. Grössere Firmen stellen auf ihren Webseiten Onlineportale zur Verfügung, wo sich die Schülerinnen und Schüler registrieren und ihre Bewerbung hochladen.
Was ist bei der Anstellung von Lernenden zu beachten?
Es gibt einige Unterschiede zwischen der Anstellung von Lernenden und anderen Mitarbeitenden. Wir haben uns darüber mit Ramon Fontana, Abteilungsleiter Lehraufsicht beim Amt für Berufsbildung, unterhalten.
Was muss ich bei der Anstellung von Lernenden berücksichtigen?
Sie müssen bei Ausbildungsbeginn mindestens 15 Jahre alt sein und die Volksschule abgeschlossen haben. Daneben ist es natürlich zentral, dass die berufliche Grundbildung zum jeweiligen Lernenden passt. Die Lernenden müssen für den entsprechenden Beruf geeignet sein und der Beruf ihnen Freude bereiten.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um einen Lernenden anzustellen?
Der Betrieb muss die Anforderungen der Bildungsverordnung der jeweiligen beruflichen Grundbildung erfüllen. Diese wird vom Bund zusammen mit der jeweiligen Organisation der Arbeitswelt festgelegt. Das Amt für Berufsbildung bzw. die Lehraufsicht erteilt bei Erfüllung der Anforderungen die Bildungsbewilligung.
Was ist der Unterschied zwischen einem Arbeitsvertrag und einem Lehrvertrag?
Beim Lehrvertrag handelt es sich um eine spezielle Art von Arbeitsvertrag (Einzelarbeitsvertrag). Dort steht die Ausbildung, und nicht die entgeltliche Arbeitsleistung im Vordergrund. Die Arbeit dient dabei «lediglich» als Mittel zum Zweck bzw. der Ausbildung.
Was gilt es beim Lehrvertrag zu beachten?
Der Lehrvertrag muss schriftlich abgefasst sein. Er regelt den Ausbildungsberuf, die Dauer, das Gehalt, die Arbeitszeit und die Ferien. Das einheitliche Formular für den Lehrvertrag steht beim Amt für Berufsbildung online zur Verfügung. Der Lehrvertrag kann auch elektronisch über das Berufsbildungsportal eingereicht werden.
Kann ich einen Vorvertrag zum Lehrvertrag abschliessen, wenn ich bereits mehr als ein Jahr im Voraus einen Lernenden gefunden habe?
Gemäss Commitment der Verbundpartner der Berufsbildung (Organisationen der Arbeitswelt, Kantone, Bund) sollen offene Lehrstellen frühestens im August des Jahres vor Lehrbeginn zur Bewerbung ausgeschrieben und Lehrverträge frühestens ein Jahr vor Lehrbeginn abgeschlossen werden. Entsprechend empfiehlt das AFB, von einem Vorvertrag abzusehen. Die Lehraufsicht genehmigt keine Lehrverträge vor September des Jahres vor Lehrbeginn.