Prozess mit offenem Ausgang

Die Reform der beruflichen Vorsorge umfasst eine Senkung des Umwandlungssatzes, einen Rentenzuschlag für die Übergangsgeneration, Anpassungen bei der Eintrittsschwelle und dem Koordinationsabzug sowie Änderungen bei den Sparbeiträgen im obligatorischen Teil. Gegen die Reform wurde das Referendum vonseiten der Gewerkschaften gefasst.

Gemäss Jörg Sennrich, Geschäftsführer des Vereins «Netzwerk KMU Next», ist es am wichtigsten, «die unternehmerischen Werte bei der Nachfolge nicht zu verlassen» und «sich treu zu bleiben». Der Churer Rechtsanwalt und Notar Mauro Lardi, SwissLegal Lardi & Partner AG, bezeichnet eine nüchterne Herangehensweise an das Thema als zentral. Dabei solle man in Szenarien denken. So wenig Voraussehbarkeiten wie bei der Nachfolge gibt es für Unternehmer/innen selten, sind sich die beiden Experten einig. «Die meisten Unternehmer/innen übergeben ein Unternehmen nur einmal im Leben. Erfahrungen dazu fehlen und eine externe Unterstützung kann oft hilfreich sein», so Lardi.

Eine Firmenübergabe ist ein komplexer Prozess, der sorgfältige Überlegungen und strategische Planung erfordert. Allein die Umsetzung benötigt in der Regel mindestens fünf Jahre. Eine gute Möglichkeit sich mit der Nachfolge auseinanderzusetzen ist gemäss Lardi, der ein Buch zum Thema herausgegeben hat, die Planung für den Fall eines unerwarteten Ausfalles. Unternehmer/innen müssten sich überlegen, was passiert, wenn sie für längere Zeit ausfallen. Für Sennrich, der seit 14 Jahren Erstberatungen in Unternehmensnachfolgen vornimmt, ist auch eine positive Einstellung entscheidend: «Man muss freudig, neugierig und offen in diesen Prozess hineingehen.» Für ihn sei es immer wieder erstaunlich, wie gestandene Unternehmer Mühe mit der Nachfolgeplanung hätten. Gemäss Sennrich und Lardi ist es wichtig, dass bis zur definitiven Umsetzung der geplanten Nachfolgeregelung verschiedene Varianten offengehalten werden. «Bei gut 2/3 der ­Unternehmensnachfolgen funktioniert die erste angedachte Lösung nicht wie geplant. Gründe dafür sind Unsicherheitsfaktoren und weil es um Emotionen und Vermögen geht», erzählt Sennrich.

Ein langer Prozess

Der Nachfolgeprozess wird in eine Planungsphase und eine Umsetzungsphase eingeteilt. «Die Umsetzung ist mit der Vertragsunterzeichnung nicht erledigt», erklärt Lardi. Die Nachbegleitung sei ein wichtiges Thema, welches vielfach nicht angesprochen werde. Nicht zu unterschätzen ist, dass die Übergabe von Know-how und Netzwerk viel Zeit benötigt. Gemäss Sennrich muss für die Übergabe das Eigentum, die Führung und das Vermögen separat angeschaut werden. Ebenfalls ist die Reihenfolge zu planen. Grundsätzlich ist die Nachfolge eine Projektmanagementaufgabe. In einem ersten Schritt muss, gemäss Lardi, die Zielsetzung geklärt werden. Möchte ich möglichst viel herausholen oder den Fortbestand des Unternehmens sichern? In weiteren Schritten muss geprüft werden, was man übergeben möchte: die gesamte Firma, Teile davon, oder nur ein Produkt? Ebenfalls muss der Wert der Firma ermittelt werden. Frühzeitig sollte darum ein Zeitplan festgelegt werden, wer wann einbezogen wird und wann was kommuniziert wird, rät Sennrich und erklärt: «Der Wert der Belegschaft nimmt aufgrund des Arbeitskräftemangels zu und ist in vielen Branchen zu einem Asset geworden.» Eine Unternehmenskultur, die in der Verantwortung delegiert werde, helfe bei der Nachfol-ge, ergänzt Lardi. «Der Unternehmer schenkt seinen leitenden Mitarbeitern bereits im operativen Betrieb sein Vertrauen und hat dann in der Regel auch weniger Mühe, die Leitung abzugeben», so Lardi. Der frühe Einbezug der Anspruchsgruppen wie Mitarbeitende und Familie sowie eine klare Kommunikation sind weitere Erfolgsfaktoren. «Ein fairer Prozess ist wichtig und dass alle Beteiligten gerecht behandelt werden», so beide Experten. Erwartungen sind für Sennrich «die grösste Herausforderung, vor allem die nicht formulierten Erwartungen aller Anspruchsgruppen. Menschen und nicht Unternehmen stehen bei der Nachfolge im Vordergrund. Wenn man im Prozess nicht transparent und ehrlich ist, holt dies einen irgendwann ein».

Varianten der Nachfolge

Neben der familieninternen Nachfolge sind die Nachfolge aus der Belegschaft (Management-Buy-out-Modell) sowie der Verkauf an einen eigentümergeführten Käufer (Management-Buy-in-Modell) oder einen anderen Käufer (M&A) klassische Formen. Eine weitere Variante ist die Einsetzung einer operativen Leitung. Dabei verbleibt das Unternehmen beim Eigentümer. Bei Hotelbetrieben ist dies beispielsweise nicht unüblich. Weiter besteht die Möglichkeit, dass ein Betrieb zwar verkauft wird, der/die Unternehmer/in für eine gewisse Zeit aber Geschäftsführer/in bleibt. Statt einer internen Übergabe oder einem ­Verkauf an Dritte bleibt die ordentliche Liquidation und damit das Ende der unternehmerischen Tätigkeit als weitere Möglichkeit. Familieninterne Nachfolgen seien nach wie vor häufig, so die beiden Experten. «Die Bereitschaft sich für den Familienbetrieb – insbesondere bei kleineren Betrieben – aufzuopfern, gibt es heute aber immer weniger», so Lardi. Seine Aussage wird durch statistische Zahlen belegt. Lag in den Achtzigerjahren die Quote der Nachfolge innerhalb der Familie noch bei 70 %, sind es heute nur noch 40 %. Im Vergleich beträgt der Anteil von Firmenübergaben mittels Verkaufs an Dritte und bei der Nachfolge aus der Belegschaft bei je rund 30 %.

Finanzen, Steuern und Recht

Bei jeder Unternehmensnachfolge spielen steuerliche und rechtliche Aspekte eine wichtige Rolle. Es empfiehlt sich, diese Themen frühzeitig und unter fachkundiger Anleitung anzugehen. Eine geschickte Steuerplanung, z.B. mit der Umwandlung einer Einzelunternehmung in eine Kapitalgesellschaft oder mit hohen Einkäufen in die 2. Säule mit entsprechender Steuerentlastung, benötigt einen genügenden Zeithorizont. Wichtig ist, dass die Vorsorge von der Nachfolge getrennt wird (Artikel Seite 43). Weiter ist es einfacher, wenn nicht alle Werte der Firma über die Jahre bis zur Übergabe ausgeschüttet werden, nur um kurzfristige steuerliche Vorteile zu erzielen. Wenn möglich sollte die Bilanz der Firma für den Verkauf oder die Übergabe «fit» gemacht werden, da gemäss Lardi «eine gesunde und schlanke Braut einfacher vermittelbar ist. Die Nachfolgerin oder der Nachfolger ist primär an der Ertragskraft und nicht an der Substanz des Unternehmens interessiert». Die Herausnahme aller betrieblich nicht notwendigen Mittel wie Immobilien ist eine geläufige Form, die Bewertung der Firma zu senken.

Bei Unternehmen gewähren Banken je nach Finanzinstitut und Branche des Objekts in der Regel eine Finanzierung von 50 % bis 60 % des Kaufpreises. Eine weitere Möglichkeit zur Finanzierung der Übernahme, falls der Käufer die Mittel nicht ­liquide hat, ist die Gewährung eines Verkäuferdarlehens mit gestaffelter Rückzahlung aus den laufenden Dividenden. Für den Übernehmer empfiehlt es sich in diesem Fall, das Unternehmen über eine Holdinggesellschaft zu erwerben, damit die Dividenden weniger hoch besteuert werden. Der genaue Transaktionsvorgang sollte aufgrund des Steuerrechts von einer Fachperson geprüft werden. Ansonsten kann das vor allem bei der Veräusserung einer Gesellschaft mit nicht betriebsnotwendigem Kapital zu bösen Überraschungen führen, wenn für die Finanzierung des Kaufs diese Mittel genutzt wurden – inklusive Nachforderungen im Bereich der Verrechnungssteuer. «Der Verkauf und die Finanzierung sollten von der Steuerbehörde geprüft und «gerult» werden. Für den Fall einer Missachtung der im Steuerruling festgelegten Bedingungen, sollte im Kaufvertrag ausdrücklich festgehalten werden, wer für die daraus entstehenden Steuerfolgen aufzukommen hat», erklärt Lardi.

Externe Begleitung

Ohne eine professionelle Unternehmensbewertung, welche auch vom Treuhänder erstellt werden kann, sollte kein Unternehmen verkauft werden. Wichtig ist, dass sich alle Beteiligten auf eine Methode einigen und diese akzeptieren. «Im Zusammenhang mit dem Erbrecht sollten alle Erben mit der Bewertung und dem Verkauf einverstanden sein und ihre Zustimmung erklären. Damit können Auseinandersetzungen zu einem späteren Zeitpunkt vermieden werden», so Lardi. Eine Nachfolge wird erleichtert, wenn das Haus aufgeräumt ist, die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden und die für den Betrieb notwendigen Dokumente nachgeführt sind. «Dies beginnt beim sauberen Aktienbuch mit einer vollstän­digen Zessionskette zu allen Aktienübertragungen, da die Aktien in der Regel das ­zentrale Kaufobjekt darstellen», so Lardi. Bei Unternehmensnachfolgen kommen Fach­experten aus dem Steuer-, Finanz- und Rechtsbereich als externe Unterstützung zum Einsatz. Daneben werden vermehrt externe Personen als Coach oder Projektleiter beigezogen. «In vielen Fällen versuchen es die Unternehmer/innen zuerst allein. Wenn es zu Schwierigkeiten kommt, kommen sie dann zu uns», so Sennrich. Für einige Tausend Franken bekommt man bei ihm eine gute Begleitung. Eine lohnende Investition, findet er. «Wichtig ist, dass diese Rolle nicht von Kollegen oder Freunden wahrgenommen wird, sondern von einer unabhängigen Person.» Sennrich, der durch das «Netzwerk KMU Next» Erfahrungen mit über 200 Nachfolgeprozessen hat, sagt: «Es ist unsere Aufgabe, den Leuten die Angst vor der Zukunft zu nehmen. Wollen müssen sie es aber selbst.»

7 Tipps

Folgende Tipps können durch den Nachfolgeprozess begleiten:

  1. Schmieden Sie einen «Plan danach» und lassen Sie los
  2. Planen Sie rund zehn Jahre vor dem Ausstieg
  3. Bauen Sie eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger auf
  4. Bleiben Sie flexibel – es gibt mehr als nur eine Lösung
  5. Legen Sie einen realistischen Preis-Spielraum fest
  6. Kommunizieren Sie Lösungen zur richtigen Zeit
  7. Holen Sie sich professionelle Unterstützung

www.raiffeisen.ch/nachfolge


Buchempfehlungen

Aus der Handbuchreihe von SwissLegal

Unternehmensnachfolge – Interdisziplinäres Handbuch zur Nachfolgeregelung von Mauro Lardi, David Dürr, Nicolas Rouiller. – ISBN/GTIN 978-3-03891-422-8

SwissLegal ist eine Kanzleiengruppe mit 12 Standorten in allen Landes­teilen der Schweiz einschliesslich in Chur. Weitere Informationen: www.swisslegal.ch

Weitere Literatur

Das St. Galler Nachfolge-Modell – Ein Rahmenkonzept zum Planen, Gestalten und Umsetzen einer ganzheitlichen Unternehmensnachfolge von Frank Halter und Ralf Schröder – ISBN/GTIN 978-3-258-08320-9


«Netzwerk KMU Next»: Anlaufstelle

Der vom Unternehmer Otto Ineichen gegründete Verein «Netzwerk KMU Next» unterstützt Unternehmer/innen im Nachfolgeprozess. Der Verein fördert daneben den Wissens- und Erfahrungsaustausch, Unternehmensentwicklungen und versteht sich als Netzwerk von Unternehmer/innen, um den Schweizer Innovations- und Wirtschaftsstandort voranzubringen und für zukünftige Generationen als lebenswerten Ort zu sichern. Der Verein unterstützt u.a. die Verkäufer (Unternehmer/innen, Familienunternehmen) über ein unabhängiges Verfahren zu verifizieren und dadurch die Qualität des Nachfolgeprozesses sicherzustellen. Dabei stehen Glaubwürdigkeit, Vertraulichkeit und Anonymität im Vordergrund. Der unabhängige und neutrale Verein begleitet selber keine Nachfolgeprozesse und versteht sich als Netzwerk und Anlaufstelle zum Thema Unternehmensnachfolge.

Weitere Informationen und Preise: kmunext.ch


zurück zur Übersicht