Neue Arbeitszeitmodelle: «Wenn ich jung wäre, würde ich 100% in vier Tagen arbeiten»

Die Thomann Nutzfahrzeuge AG ist ein klassisches KMU mit 200 Mitarbeitenden. Schon seit 20 Jahren setzt der Vorzeigebetrieb bei der Arbeitgeberattraktivität auf verschiedene Arbeitszeitmodelle. Beim Besuch des «Bündner Gewerbes» erzählt Geschäftsführer Luzi Thomann, was KMUs tun können, um auf dem Arbeitsmarkt als attraktiver Arbeitgeber auftreten zu können. Mit der jungen Generation, der Digitalisierung, Homeoffice und dem Fachkräftemangel sind flexible Arbeitszeitmodelle gefragt.

sg. Die Mitarbeitenden von Thomann Nutzfahrzeuge warten und verkaufen Lastwagen, Omnibusse und Transporter in Chur, Schmerikon, Frauenfeld und Arbon. An allen Standorten haben sie genug Mitarbeitende. Sie tun aber auch einiges dafür: Einerseits bilden sie selber sehr viele Lernende aus und versuchen, diese möglichst im Betrieb zu halten. Andererseits bietet der Betrieb eine hohe Flexibilität mit 40 Arbeitszeitmodellen und bis zu sechs Wochen Ferien an. Die Mitarbeitenden arbeiten nicht weniger, sie arbeiten anders verteilt.

Seit 20 Jahren flexibler Arbeitgeber

Auslöser für die Einführung des ersten modernen Arbeitszeitmodells «100% in 4 Tagen» war die Suche nach einem Stellvertreter für Luzi Thomann vor 20 Jahren. Der ideale Kandidat war gefunden, stellte aber die Bedingung, dass er 100% in 4 Tagen arbeiten könne. Das war ein Glückstreffer, denn damit konnte sein Stellvertreter an vier Tagen die gesamte Betriebszeit abdecken. Das zweite Arbeitszeitmodell war geboren, als zwei Finanzchefs ein Jobsharing wünschten. Die heute 40 verschiedenen Arbeitszeitmodelle wurden aufgrund der Bedürfnisse im Betrieb während 20 Jahren laufend eingeführt. «Neue Modelle entstanden meistens aus Problemen im Betrieb, bei denen wir mit den Beteiligten fast immer eine Lösung fanden», erklärt Thomann. Eine Variante, die man auch vom Bau kennt, ist, während zehn Monaten Überstunden zu leisten, danach zwei Monate frei nehmen, um beispielsweise zu reisen. Das Modell «Vollzeit in 4 Tagen» sei bei den Mitarbeitenden das beliebteste Modell, Teilzeitmodelle seien auch sehr beliebt und werden je nach Lebenslage der Mitarbeitenden auch angepasst.

Vorteile überwiegen Mehraufwand

Diese Vielfalt an Arbeitszeitmodellen ist zwar mit einem grösseren Planungs- und Kommunikationsaufwand verbunden, die Vorteile überwiegen jedoch. Beim HR würden sie für die 200 Mitarbeitenden drei Stunden Mehraufwand pro Tag aufwenden. Die Motivation sei bei Thomann sehr hoch und die Mitarbeitenden arbeiten insgesamt effizienter. Der grösste Vorteil sei die hohe Mitarbeiterzufriedenheit. Das spreche sich herum und deshalb hätten sie keine Mühe, Mitarbeitende zu halten oder neue zu finden. Wichtig sei, dass die Regeln für alle Mitarbeitenden gleich seien und das System nicht missbraucht werde. «Man merkt mit der Zeit, wo die Schlitzohren sitzen und sucht dann das Gespräch», erzählt Thomann. Die Geschäftsleitung erhält immer wieder Anfragen von anderen Betrieben zu den Arbeitszeitmodellen. Vor allem bei der Gesundheits- und Gastrobranche sei das Interesse gestiegen. Grundsätzlich empfehle Luzi Thomann, am Anfang zwei drei Modelle auszuprobieren. Die Führungspersonen müsse man mit ins Boot holen und die Regeln müssen allen klar sein.

Unternehmenskultur stellt Lernende in den Mittelpunkt

Die Arbeitszeitmodelle seien jedoch nur ein Teil der Unternehmenskultur der Thomann Nutzfahrzeuge AG. Das A und O sei die Ausbildung der Lernenden. Rund ein Fünftel aller Angestellten sind Lernende. «Wenn wir spannende Lehrstellen anbieten und auf Augenhöhe mit ihnen zusammenarbeiten, dann bleiben sie nach der Lehre oder kommen zu einem späteren Zeitpunkt gerne wieder zurück», sagt Thomann. Der Zusammenhalt in der Firma sei wichtig und das beginne bereits bei den Lernenden. Auf einem Maiensäss oberhalb von Savognin macht Thomann jährlich ein Lehrlingslager in der Natur – Teamarbeit und «Holzschitten» ist angesagt (Bild). Das Maiensäss stehe den Mitarbeitenden gratis für Ferien zur Verfügung, was sehr beliebt sei. Auch verschiedene Anlässe für die Mitarbeitenden fördern ein gutes Klima in den verschiedenen Niederlassungen.

Über Thomann Nutzfahrzeuge

1995 gegründet, zählt der Betrieb heute 200 Mitarbeitende an fünf Standorten, zwei davon in Chur. Lehrstellen in Chur: Automobilmechatroniker/in Nutzfahrzeuge, Fachfrau/mann Nutzfahrzeuge, Assistent/in Nutzfahrzeuge, Detailhandel Automobilgewerbe.
Weitere Infos: www.thomannag.com

Luzi Thomann, Inhaber und Geschäftsführer, würde, wenn er jung wäre, das Arbeitsmodell 100% in vier Tagen wählen. Dies sei aber streng, heute brauche er mehr Erholungszeit. Nach der Übergabe vom CEO-Posten an seinen Nachfolger Andrea Niggli im Frühling 2023 möchte er sich mehr Zeit für die Funktion als VRP und somit für die Strategie des Unternehmens nehmen. Zudem möchte er mehr Zeit für die Familie haben, in der Natur sein und mehr Sport machen.

 

Arbeitgeber sind heute gefordert, ihre Attraktivität zu steigern. Das «Bündner Gewerbe» wird künftig im Rahmen einer losen Reihe darüber berichten.

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