Kommentar des Direktors: Nachhaltigkeit als Chance für Graubünden nutzen

Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft und Transparenz in den Lieferketten sind treibende Kräfte, welche die Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten stark beeinflussen werden. Diese Entwicklungen bringen für die Bünder Wirtschaft und seine KMU Chancen und Gefahren zugleich.

Die grösste Gefahr sehe ich in der Politik mit mehr Regulierung, Bürokratie und Subventionen im Namen der Nachhaltigkeit. Die Industriepolitik ist im Namen der Nachhaltigkeit wiederentdeckt worden. Regulierungen nehmen zu, vor allem in der EU: Lieferkettengesetz, EU-Taxonomie, Verbot von Verbrennermotoren. In der EU geistert die Idee umher, die europäische Industrie im Sinne der chinesischen Planwirtschaft grüner zu machen. Europa ist nicht China und die nachhaltige Transformation braucht Zeit. Auch die grüne Wirtschaft wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Daniel Yergin, profunder Kenner von Energiepolitik und Weltwirtschaft, sagte kürzlich in der «NZZ»: «Die ganze Diskussion um die Energiewende scheint manchmal den Bezug zur Wirtschaftsgeschichte und zur Realität zu verlieren. Wenn man sich die Geschichte von Energiewenden anschaut, dann dauern diese über ein Jahrhundert. Eine Wende in 25 Jahren oder weniger ist unwahrscheinlich.»

Das heisst nicht, dass wir abwarten sollen. Wenn die Bündner Wirtschaft die Chancen der Dekarbonisierung, der Kreislaufwirtschaft und der «grünen Technologien» nutzen will, gilt es jetzt vorwärtszumachen. Graubünden verfügt über eine gute Ausgangslage, die Chancen der Nachhaltigkeit zu nutzen. Dies aufgrund der Wirtschafsstruktur, der natürlichen Ressourcen und der Geschichte. Bereits heute produziert Graubünden mit 8 TWh Wasserkraft den gesamten Energiebedarf des Kantons CO²-neutral. Vom Ausbau der erneuerbaren Energien können die Energiewirtschaft, die Gemeinden, aber auch die Unternehmen aus Gewerbe und Industrie profitieren. Dafür braucht es aber gute Rahmenbedingungen. Diese bietet der Mantelerlass, der am 9. Juni zur Abstimmung kommt.

Die Interessen der Energiepolitik werden mit dem Umwelt- und Landschaftsschutz endlich gleichgestellt. Mit der gleitenden Marktprämie kommt ein intelligentes Förderinstrument zum Zug. Neue Elektrizitätsgemeinschaften ermöglichen die lokale Vermarktung von selbst erzeugtem Strom, was Gewerbe- und Industriebetriebe neue Möglichkeiten eröffnet. Aus Sicht des Gewerbes ist das Stromgesetz klar zu unterstützen.

Der Kanton Graubünden möchte mit dem Green Deal zur Dekarbonisierung beitragen. Die Wirtschaftsverbände unterstützen den Green Deal, sehen aber Verbesserungsbedarf beim vorgelegten Gesetz. Ein richtiger Green Deal umfasst mehr als nur Subventionen für den CO²-Absenkpfad. Ansonsten gehen die Einkaufsmillionen für Energie, welche aktuell in den Ölländern landen, nach China und in die USA, welche im Bereich der «Erneuerbarenindustrie» den Markt beherrschen. Der Green Deal muss auch im langfristigen Aufbau von Wertschöpfung in nachhaltige Technologien führen. Dafür nötig sind angewandte Forschung, Berufsbildung, Innovation sowie Wissens- und Technologietransfer. Mit 40 Millionen pro Jahr wird Graubünden nicht den Weltmarkt beeinflussen können, jedoch die eine oder andere wirtschaftliche Nische finden. Nachbesserungen am Klimafondsgesetz sind dafür nötig.

Der BGV ist im Bereich der nachhaltigen Wirtschaft nicht untätig. Zusammen mit den Dachorganisationen der Wirtschaft haben wir das Projekt «Green-Tech Kompetenznetzwerk Graubünden» lanciert. ­Mit dem Projekt möchten wir Graubünden als Wirtschaftsstandort für grüne Technologien stärken. Wir bringen Unternehmen, ­Verbände sowie Organisationen aus der Bildung und Forschung zusammen. Unternehmen zusammenzubringen ist neben der Politik unsere Aufgabe.

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