Engadiner Familienbetrieb in der fünften Generation

Das Wahrzeichen von Sils Maria, das Hotel «Waldhaus», wird seit 2010 von Claudio und Patrick Dietrich in fünfter Generation geführt. Weitere fünf Familienmitglieder sind im Betrieb des Fünfsterne-Hotels involviert.

Eingebettet in die atemberaubende Landschaft thront das «Waldhaus». In fünfter Generation sind Claudio und Patrick Dietrich seit 14 Jahren die Schlossherren, die ersten vier Jahre noch begleitet von ihrem Vorgänger Urs Kienberger. Das Hotel mit 190 Mitarbeitenden verzeichnete 2023 gut 50 000 Logiernächte. Sie seien gut unterwegs, sagen die Direktoren mit Freude und  Visionen – so wie ihre Vorgänger während 100 Jahren. Die Ur-Urenkel des Gründerpaares Josef und Amalie Giger-Nigg können auf erfolgreiche Jahre zurückblicken – trotz Corona und Wirtschaftskrise. In diesem Jahr wurden sie sogar als Hoteliers des Jahres ausgezeichnet. Hauptargumente für die Ehrung sind der unverkennbare Stil des Hotels, die Qualität der Gästebetreuung und der Mut, die Tradition und Geschichte des Haues weiterzuführen. «Die Auszeichnung freut uns, gehört aber dem gesamten Team», sagt Claudio, der ältere der Dietrich-Brothers.

Beide Dietrichs haben eine Kochlehre absolviert. Nach der Hotelfachschule sammelten sie in renommieren Häusern im In- und Ausland wertvolle Erfahrungen. Als sie vor 20 Jahren gefragt wurden, ob sie den familiengeführten Einzelbetrieb dereinst übernehmen möchten, sagen beide schnell zu – auch weil sie aus der Branche kamen. Gleichzeitig deponierten sie ihre Vorstellungen jeweils per Mail bei ihrem Bruder. Darauf besuchte Claudio seinen in den USA arbeitenden Bruder für deren Auswertung. Beim Skifahren in Vail haben sie den gemeinsamen Weg festgelegt. «Erstaunlicherweise ergänzten sich unsere Wüsche», erzählt Patrick. «Als wir zwei Jahre später in Sils starteten, teilten wir uns nach Abteilungen auf. Mit der Zeit merkten wir, dass das nicht 100 Prozent unseren Stärken und Präferenzen entspricht und legten die Aufgaben neu fest», so Claudio. Heisst, dass sich Patrick seither um die Gästebetreuung kümmert. Dazu gehören neben der Begrüssung und Verabschiedung auch das Feedbackmanagement, die Zimmerzuteilung und das Reservationswesen. Bruder Claudio leitet den gesamten operativen Betrieb und die Administration. Cornelia Dietrich, die Frau von Claudio, verantwortet zudem das Marketing. Ebenfalls im Betrieb arbeitet ihre Schwester Carla Lehner-Dietrich, die seit sieben Jahren den SPA leitet und zuvor schon lange im Betrieb tätig war.

Genügend Zeit für die Vorbereitung
«Wir sind zu 100 Prozent ein Familienhotel – betriebs- und führungsmässig», sagt Patrick. Bei wichtigen Entscheidungen würden die Führungskräfte und die Familienmitglieder befragt. Bei Investition werde zudem der Verwaltungsrat beigezogen. «Am Schluss entscheiden aber wir zwei als Direktoren.» Claudio erzählt, dass sie nach der Nachfolge-Anfrage im Jahr 2004 bis zur Übernahme genügend Zeit hatten, ihren Einstieg vorzubereiten. «Zu Beginn gingen wir es zu pragmatisch an», schaut Patrick zurück. Sie hätten sich um Details gekümmert, die grossen Linien aber zu wenig beachtet. «Wenn man aus der gleichen Branche kommt, neigt man dazu, alles regeln zu wollen.» Das sei in einem Betrieb mit 190 Mitarbeitenden der falsche Weg. «Es war von Vorteil, dass wir frühzeitig eine externe Person beigezogen haben, die uns durch den Prozess der Nachfolge begleitete. Sie hat uns als ‹Coach› die richtigen Fragen gestellt und darauf geschaut, dass wir nichts vergessen.» Die grössten Aktionäre des Unternehmens sind nach wie vor ihr Onkel Urs Kienberger und ihre Mutter Maria Dietrich-Kienberger mit ihren zwei Geschwistern und ihrem Mann Felix Dietrich, sowie mittlerweile auch die Direktoren Claudio und Patrick Dietrich. «Wir sind eine Aktiengesellschaft, die ausschliesslich aus Familienaktionären besteht», erzählt Claudio Dietrich. Insgesamt halten 19 Familienmitglieder Aktien des Hotels. Aktuell befinde man sich in einem nächsten Nachfolgeprozess der Eigner. Auch dafür habe man externe Unterstützung beigezogen. «Es sind Fachleute, die uns beratend zur Seite stehen und uns die Vor- und Nachteile aufzeigen», so Claudio. Es seien viele technische Details zu klären, bezüglich der Zukunft sei man sich grundsätzlich einig. «Viele Familienmitglieder sind auch unsere Gäste. Wir pflegen einen guten Kontakt und haben einen regen Austausch. Zusätzlich organisieren wir alle zwei Jahre ein Familientreffen ausserhalb des Hotels, bei welchem es weniger ums Hotel als um den Austausch untereinander geht.» In mittelfristiger Zukunft werde man beginnen, auch die eigene Nachfolge zu planen. Claudio ist 47 und Patrick 43 Jahre alt. Noch
bleibt ihnen dafür etwas Zeit. Sie wissen aber auch, dass man damit nicht früh genug beginnen kann.