Coaching für Mitarbeitende in Bündner Hotels

Vier Hotels in der Region Lenzerheide haben ein Coachingangebot für alle Mitarbeitenden eingeführt. Eine Coachin ist an jedem Wochentag in einem anderen Hotel für Gespräche vor Ort. Sie motiviert und unterstützt Lernende, Mitarbeitende und das Kader in ihrem Arbeitsalltag. Damit stärkt sie auch den Gemeinschaftssinn und geht Konflikte an, bevor diese eskalieren.

sg. Die Hotels «Valbella Resort», «Schweizerhof», «Guarda Val», «Lenzerhorn» in der Lenzerheide und das «Märchenhotel» in Braunwald haben das Coaching-Angebot vor rund zweieinhalb Jahren eingeführt. Das «Bündner Gewerbe» hat mit der Coachin Franziska Ancona und der Inhaberin des Hotels «Schweizerhof» Claudia Züllig gesprochen.

Aus welchem Bedürfnis ist die Idee für das Coaching der Mitarbeitenden entstanden?
Franziska Ancona: Wegen Corona beendete ich meine Reise in Asien frühzeitig und nahm einen Saisonjob im «Valbella Resort» an. In dieser Zeit ist der Wunsch in mir entstanden eine Art «Brückenbauerin» zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten sein zu wollen, um Konflikte effizienter lösen zu können. Somit fragte ich Claudia Züllig, ob sie das Bedürfnis hätte, einen Hotel-Coach zu engagieren.

Claudia Züllig: Ich habe meine beiden Hotelierskolleginnen vom «Valbella Resort» und vom «Guarda Val» in Lenzerheide auf dieses Angebot angesprochen. Daraufhin haben wir uns entschieden, dieses Coaching-Angebot eine Saison auszuprobieren. Der Fokus lag auf der Betreuung der Lernenden, die während ihrer Ausbildung in einer intensiven Entwicklungsphase sind. Wir waren uns alle bewusst, dass unsere HR-Fachleute während der Pandemie viel Zeit für Gespräche benötigten, denn die Hotels waren ja immer geöffnet und die Auflagen haben unsere Mitarbeitenden enorm beschäftigt. Aufgrund der Ressourcen brauchten wir eine neue Lösung. Somit war Franziska zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Seither ist sie jeweils einen Tagpro Woche in jedem Hotel. Inzwischen sind es fünf Hotels, was aufzeigt, dass ein Bedürfnis vorhanden ist. Ein sehr wichtiger Pluspunkt von Franziska ist ihre langjährige Erfahrung in der Hotellerie und Gastronomie, denn diese trägt wesentlich zum Verständnis unserer Branche bei.

Wie verläuft der Arbeitsalltag als Hotelcoach
Franziska: Mein Arbeitsalltag ist sehr vielfältig. Ich verbringe Zeit mit den Mitarbeitenden und nehme aufgrund von Aussagen oder der Körpersprache wahr, wie es ihnen geht. So erkenne ich frühzeitig, ob ein Konfliktgespräch notwendig ist. In den Gesprächen finden wir eine Lösung für das Problem und prüfen zu einem späteren Zeitpunkt, ob die Strategie verbessert werden muss. Es hilft den Mitarbeitenden sehr, sich einer externen Person anvertrauen zu dürfen. Die Informationen bleiben bei mir. Nur in akuten Fällen wende ich mich nach Absprache mit der betreffenden Person an Vorgesetzte oder Eltern. Jeder Mitarbeitende und Vorgesetzte hat die Möglichkeit, Coaching-Termine bei mir zu buchen. Die Lernenden brauchen eine vertrauenswürdige Betreuung im hektischen Hotelalltag. Sie kommen einmal in der Woche für ein Gespräch zu mir und in Workshops werden Themen besprochen, die sie beschäftigen.Claudia: Die Mitarbeitenden schätzen besonders, dass Franziska ein offenes Ohr und vor allem Zeit für sie hat. Im hektischen Hotelalltag werden sie somit wirklich gehört und wahrgenommen, auch wenn die Vorgesetzten nicht immer und sofort Zeit für sie haben. Hotels sind 24-Stunden-Betriebe, die nie geschlossen sind, und immer steht der Gast im Fokus. So bleibt wenig Zeit, um Teamkonflikte sofort anzugehen. In unserer Branche gibt es viele junge Menschen in Führungspositionen, denen oft die Erfahrung im Bereich Führung und Coaching fehlt. Sie brauchen eine spezielle Begleitung und Franziska weiss, wie sie auch unsere Führungskräfte auf ihrem Weg unterstützen kann. Sie übernimmt aktiv Führungscoachings.

Was sind die Themen, mit welchen die Mitarbeitenden auf Sie zukommen?
Franziska: Dies unterscheidet sich je nach Person, Team und Kultur. Neben Teamkonflikten, Umgang mit Belastungen und Motivationsthemen sprechen wir auch über private und psychische Probleme. Von Unsicherheit, Zweifel, Entscheidungsschwierigkeiten über Depressionen sind auch Essstörungen und Selbstverletzungen anzutreffen. Als mentaler Coach bin ich aber nicht Therapeutin. Wenn ich feststelle, dass jemand eine Therapie benötigt, helfe ich, eine externe professionelle Unterstützung zu finden. Ihr habt eine Pionierrolle eingenommen.

Was empfehlt Ihr anderen Betrieben?
Claudia: Grössere Unternehmen greifen zum Teil auf Psychologen zurück. Die Hemmschwelle, um zu einem eigenen Coach zu gehen, ist viel niedriger, als sich bei einem Psychologen zu melden. Das Angebot hat viel mit Prävention (Früherkennung) zu tun. So können Probleme und Konflikte frühzeitig erkannt und angegangen werden, was für die Mitarbeiterzufriedenheit enorm wichtig ist. Anderen Betrieben empfehle ich, ein solches Angebot einfach mal auszuprobieren. Es ist eine grosse Chance für jeden Betrieb, der sich für die aktive Mitarbeiterzufriedenheit einsetzen möchte. Beim Start vor zwei Jahren hatten wir kein spezielles Konzept, sondern haben dieses Angebot einfach aus dem Bedürfnis der Mitarbeitenden heraus geschaffen. Sehr wichtig dabei ist, dass die Geschäftsleitung und das Kader dahinter stehen und dies ihrem Team auch empfehlen können.

 

 

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